Private Zertifikationssysteme sind in den letzten Jahren immer relevanter geworden, da Unternehmen dadurch Nachhaltigkeitsaspekte und Risiken entlang der Lieferkette adressieren und ihr Engagement für die Nachhaltigkeit sichtbar machen können. Zertifizierungssysteme definieren menschenrechtliche Kriterien für Prozess- und Produktionsmethoden und lassen diese von unabhängigen Stellen prüfen, um Unternehmen, Produkte oder Produktionsprozess zu zertifizieren. Sie tragen so zu einem besseren Schutz der Menschenrechte bei und unterstützen Unternehmen im Rahmen ihrer Sorgfaltsprüfung. Zertifizierungen können jedoch menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungsverfahren gemäss den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte oder der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen meistens nicht gänzlich ersetzen, da sie nicht alle relevanten internationalen anerkannten Menschenrechte abdecken. Zertifizierungen betreffen meist die spezifischen Menschenrechte der Arbeitswelt, d.h. die IAO-Kernarbeitsnormen. Ein weiterer Hauptunterschied von menschenrechtlicher Sorgfaltsprüfung zur Zertifizierung ist zudem, dass Zertifizierungen nur eine bestimmte Lieferkette betrachten und nicht die Fülle aller Beziehungen und Lieferketten eines Unternehmens.
Somit bieten Zertifizierungssysteme zwar eine ideale Ausgangsposition für menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungsverfahren und unterstützen diese, sie können jedoch oft noch keine umfassende menschenrechtliche Risikoanalyse gemäss den UNO und OECD Standards ersetzen.
Fairtrade Max Havelaar
Bei Fairtrade Max Havelaar zum Beispiel wird die Einhaltung zahlreicher Menschenrechte im Fairtrade Standard verlangt. Dazu zählt insbesondere das Verbot von Kinderarbeit (gemäss IAO-Übereinkommen 138 und 182). Dass die Vorgaben eingehalten werden, überprüft die Zertifizierungsstelle FLOCERT. Mit einem Verbot allein ist das Problem aber noch nicht gelöst, weshalb Fairtrade Prävention und Aufklärung verlangt. Befindet sich eine Fairtrade-Produzentenorganisation in einem Land, in dem die Wahrscheinlichkeit von Kinderarbeit sehr hoch ist oder handelt es sich um ein Produkt mit einem Risiko für Kinderarbeit, muss die Organisation Massnahmen ergreifen. Empfohlen wird hier beispielsweise die Einführung eines eigenen Kontroll- und Korrektursystem gegen Kinderarbeit. So haben einzelne Kooperativen (finanziert mit Hilfe der Fairtrade-Prämie und mit fachlicher Unterstützung von Fairtrade) bereits das richtungsweisende Youth Inclusive Community Based Monitoring and Remediation Modell (YICBMR) umgesetzt. Ergänzend zum Standard für Produzentenorganisationen gibt es Produktstandards. Für Produkte mit einem hohen Risiko für Kinderarbeit, wie beispielsweise Kaffee und Kakao, werden zusätzliche Pflichten festgelegt.
Eine Fairtrade-Zertifizierung ist somit ein effizientes Instrument, um gewisse Menschenrechtsrisiken in der Lieferkette zu vermeiden und zu mildern. Über den Standard hinaus können Unternehmen mit gezielten Fairtrade-Programmen oder Beratungsdienstleistungen Menschenrechtsrisiken im Sinne eines Best-Practice Ansatzes mildern und unternehmenseigene Prioritäten adressieren.
International Code of Conduct Association (ICoCA)
Als weiteres Beispiel dient die Internationale Vereinigung für Verhaltenskodex (International Code of Conduct Association – ICoCA), eine 2013 gegründete Multi-Stakeholder-Initiative, die die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Rechts durch private Sicherheitsdienstleister stärken will. ICoCa fungiert als Governance- und Überwachungsmechanismus für den Internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsunternehmen. Der Verband bietet auch einen Zertifizierungsmechanismus für private Sicherheitsunternehmen an. Mehr Informationen unter https://icoca.ch/